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1000 Genome-Schallmauer durchbrochen

Internationales Forscherteam veröffentlicht Katalog von Genvarianten verschiedener Bevölkerungsgruppen


NGFN-Wissenschaftler haben im Rahmen des internationalen 1000 Genome-Projekts das Erbgut von 1092 Menschen aus der ganzen Welt sequenziert und in einem detaillierten Katalog von seltenen Genvarianten zusammengestellt. Die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichten Ergebnisse werden Wissenschaftlern dabei helfen, genetische Veränderungen von erkrankten Menschen zu interpretieren. Es handelt sich um die weltweit erste Studie, bei der mehr als 1000 individuelle Genome sequenziert und charakterisiert worden sind.

Unter genetischer Variation versteht man Unterschiede in der Anordnung der chemischen Bausteine (Basen), aus denen das Erbmaterial (Genom) zusammen-gesetzt ist. Die Unterschiede können sehr klein sein und nur auf dem Austausch einzelner Basen beruhen; sie können aber auch durch große Veränderungen wie Verdopplungen oder Umlagerungen ganzer Chromosomenregionen verursacht werden. Einige Unterschiede treten häufig in weiten Teilen der Bevölkerung auf, während andere sehr selten sind. Wissenschaftler des 1000 Genome-Projekts untersuchten seit 2008 systematisch das Erbgut von 1092 einzelnen Menschen aus 14 verschiedenen Volksgruppen (Populationen) weltweit. Durch den Vergleich der einzelnen Genome innerhalb und zwischen den verschiedenen Populationen gelang es den Forschern, einen Katalog der genetischen Varianten zu erstellen.

Insgesamt fand das internationale Forscherteam seltene Variationen meist in geografisch begrenzten Regionen, während häufigere Abweichungen weltweit in allen untersuchten Populationen zu finden waren. Die Wissenschaftler vermuten, dass ein Großteil der Genvarianten, die im Zusammenhang mit Krankheiten stehen, nur bei einem von 100 Menschen oder weniger auftreten. Gerade diese seltenen Varianten können relevant für die Krankheitsentstehung sein. Es ist deshalb Ziel der Forscher, diese seltenen Varianten zu finden, um analysieren zu können, wie sie zur Entstehung von Krank¬heiten wie Multipler Sklerose, Herzerkrankungen oder Krebs beitragen. In der Datenbank des 1000 Genome-Projekts finden sich derzeit Sequenzdaten von Menschen fast aller Kontinente, wie den Yoruba in Nigeria oder Italienern aus der Toskana. Genetische Auffälligkeiten einzelner Personen oder Gruppen könnten nun vor dem Hintergrund der genetischen Variation in der jeweiligen Population bewertet werden, berichtet Hans Lehrach vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin. Obwohl die Forscher des 1000 Genome-Projekts ihr ursprüngliches Ziel bereits erreicht haben, wollen sie in der nächsten Projektphase weitere 1500 Genome aus zwölf weiteren Populationen sequenzieren.

Die Beteiligung des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik am 1000 Genome-Projekt wird durch die Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ermöglicht, das die Beteiligung der Berliner Forscher im Rahmen des Programms der Medizinischen Genomforschung, NGFN-Plus, fördert.

Originalveröffentlichung:
The 1000 Genomes Project Consortium.
An integrated map of genetic variation from 1,092 human genomes.
Nature 491, 56–65 (01 November 2012), doi:10.1038/nature11632

Kontakt:
Dr. Ralf Sudbrak
Max-Planck-Institut für molekulare Genetik
Telefon: +49 308413 1612
Email: sudbrak@molgen.mpg.de

Dr. Patricia Marquardt (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit)
Max-Planck-Institut für molekulare Genetik, Berlin
Telefon: +49 30 8413-1716
Fax: +49 30 8413-1671
E-Mail: patricia.marquardt@¬molgen.mpg.de