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Besonders in den westlichen Industrienationen gibt es immer mehr Menschen mit starkem Übergewicht (Körpermasseindex/BMI >= 30 kg/m²). Obwohl natürlich die Lebensumstände für diese Entwicklung mitverantwortlich sind, leisten auch genetische Hintergründe einen entscheidenden Beitrag zum individuellen Adipositas-Risiko. Bislang waren 14 genetische Faktoren mit einem Einfluss auf die Körpermasse und eine Variante für die Verteilung des Fettes auf Bauch oder Hüfte bekannt. Um weitere Kandidaten aufzuspüren, wurde im Rahmen einer internationalen Kooperation namens GIANT die enorme Zahl von fast 250.000 Personen europäischer Abstammung untersucht. Dabei konnten 18 neue Genorte mit Körpermasse in Zusammenhang gebracht werden. Bei den weiteren 13 Genorten zur Fettverteilung war auffallend, dass diese Effekte vor allem bei Frauen zu beobachten waren.

Eingebunden waren dabei gleich mehrere Teilprojekte aus dem von Prof. Johannes Hebebrand, Universität Duisburg-Essen, koordinierten Verbund „Adipositas“ innerhalb von NGFN-Plus im Programm der Medizinischen Genomforschung. Daten von etwa 33.000 Personen konnten aus diesem NGFN-Verbund zu der gigantischen Studie beigesteuert werden. Zusätzlich sind die NGFN-Plus-Netze Umweltbedingte Erkrankungen (Prof. Schreiber, Kiel) und Atherogenomics (Prof. Schunkert, Prof. Erdmann, Lübeck) beteiligt.

„Das Besondere an den neuen Arbeiten ist, dass wir dank der sehr hohen Probandenzahl Genvarianten aufspüren konnten, die für sich genommen nur einen relativ kleinen Effekt auf das Körpergewicht haben. In einzelnen Studien hätten wir diese niemals entdeckt“, betont Prof. Dr. H.-Erich Wichmann, Direktor des Instituts für Epidemiologie am Helmholtz Zentrum München. Er hatte mit seiner Untersuchungsplattform KORA als einer der ersten Europäer das GIANT Konsortium mit aufgebaut. „Diese gigantischen Meta-Analysen von über 70 Einzelstudien sind derzeit die erfolgreichste Methode, um neue Genorte für Adipositas zu identifizieren, und erfordern eine neue Art der internationalen Zusammenarbeit“, sagt Frau Prof. Iris Heid aus Regensburg, welche die Auswertungen in einem internationalen Team mit leitete.

Unter den 18 neu entdeckten genetischen Varianten für BMI liegt eine nahe dem Gen POMC, das für das Prohormon Pro-opiomelanocortin kodiert. Aus diesem Prohormon werden in einer Gehirnregion (Hypothalamus) verschiedene Peptidhormone gebildet, die unter anderem bei der Regulation des Hungergefühls eine Rolle spielen. Doch die meisten Genorte, in denen sich die entdeckten Varianten befinden, waren zuvor nicht mit dem Energiestoffwechsel in Zusammenhang gebracht worden. Prof. Hebebrand erklärt: „Solche Studien im Großmaßstab erlauben ganz neue Einblicke in die Biologie des Energiestoffwechsels und der Gewichtsregulation. Zu klären wird sein, inwieweit die neuen Erkenntnisse auch therapeutisch von Nutzen sein können“.


Originaltitel der Publikationen:
Association analyses of 249,796 individuals reveal eighteen new loci associated with body mass index
Autoren: E.K. Speliotes, C.J. Willer, S.I. Berndt, K.L. Monda, G. Thorleifsson et al.
Nature Genetics advance online publication 10.10.2010: http://dx.doi.org/10.1038/ng.686  
Meta-analysis identifies 13 new loci associated with waist-hip ratio nd reveals sexual dimorphism the genetic basis of fat distribution.
Autoren: I.M. Heid, A.U. Jackson, J. Randall, T. W. Winkler, L. Qi, V Steinthorsdottir, G. Thorleiffsson et al.
Nature Genetics advance online publication 10.10.2010: http://dx.doi.org/10.1038/ng.685