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Die genetischen Ursachen des Herzinfarktes sind noch breiter verwurzelt!

Ein globales Konsortium hat in der bislang größten Studie die erblichen Ursachen des Herzinfarktes genauer definiert. Das Team, welches auch von den NGFN-Wissenschaftlern Prof. Dr. Jeanette Erdmann, Lübeck, und Prof. Dr. Heribert Schunkert, München, geleitet wird, hat 104 Genorte entdeckt, die mit großer Sicherheit zum Herzinfarktrisiko beitragen. Insgesamt 46 Chromosomenabschnitte können nun mit genomweiter Signifikanz, d.h. der höchsten Stufe der statistischen Gewissheit, als ursächlich für die bedrohliche Erkrankung angesehen werden. Damit ist das Herzinfarktrisiko viel stärker genetisch verwurzelt als bislang angenommen.

Prof. Erdmann erklärt, dass Fettstoffwechselstörungen und Entzündungsreaktionen als bedeutendste Ursachen für die Entstehung der koronaren Herzerkrankung (KHK) und des Herzinfarktes angesehen werden können, . Prof. Schunkert ergänzt, dass die Mehrzahl der entdeckten Genvarianten bislang noch unbekannte Mechanismen in Gang setzt und so die Arbeit völlig neue Möglichkeiten eröffnet, den Ursachen der Atherosklerose, also der Gefäßverkalkung, auf den Grund zu gehen.

Jedes Jahr sterben in Europa rund 750.000 Menschen an einem Herzinfarkt. Die zugrunde liegende Atherosklerose der Herzkranzarterien und der Herzinfarkt gehören damit in Deutschland zu den mit Abstand häufigsten Todesursachen. Neben traditionellen Risikofaktoren wie Alter, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus und Zigarettenrauchen spielt die vererbte Veranlagung eine erhebliche Rolle bei der Entstehung der Erkrankung.

In den letzten Jahren ist es zwar gelungen etliche Risikogene zu identifizieren, trotzdem sind die genetischen Ursachen bislang nicht hinreichend aufgeklärt. Gemeinsam mit mehr als 180 Wissenschaftlern aus der ganzen Welt konnten nun deutsche Forscher, gefördert im Rahmen des NGFN durch das Bundesforschungsministerium (BMBF), 15 neue Risikogene für die KHK und den Herzinfarkt nachweisen. Damit sind nun 46 Risikogene für die KHK und den Herzinfarkt bekannt. Zusätzlich konnten weitere 104 Risikogene identifiziert werden, die sehr wahrscheinlich das Krankheitsrisiko erhöhen. Die Ergebnisse werden am 2. Dezember 2012 im renommierten Wissenschaftsjournal Nature Genetics publiziert.

Die Identifizierung dieser Vielzahl von Risikogenen erlaubt nun erstmalig weitergehende Analysen. Diese bestätigen, dass Störungen des Fettstoffwechsels und Entzündungen von sehr großer pathophysiologischer Bedeutung für die Erkrankung sind. Indem Signalwege in Schlüsselpositionen identifiziert wurden, gelangen zusätzlich auch völlig neue Einsichten in die Krankheitsentstehung, die mittel- bis langfristig bislang ungeahnte Möglichkeiten für die Prävention und Therapie erlauben.

Das globale Konsortium CARDIoGRAMplusC4D, an dem Wissenschaftler des DZHK (Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung, Standorte Lübeck und München) des neu gegründeten Instituts für Integrative und Experimentelle Genomik (Direktorin: Prof. Dr. rer. nat. Jeanette Erdmann) der Universität zu Lübeck sowie des Deutschen Herzzentrums München (DHM) bzw. der Technischen Universität München (Direktor: Prof. Dr. med. H. Schunkert) federführend beteiligt sind, hat für diese weltweit beispiellose Studie 60.000 Patienten mit koronarer Herzkrankheit und 130.000 gesunde Personen untersucht, um Regionen im menschlichen Genom, die mit einem erhöhten KHK-Risiko vergesellschaftet sind, aufzuspüren. Durch die gleichzeitige Analyse von mehr als 2 Millionen über das gesamte Genom verteilten Genvarianten (sog. SNPs) wurde die Identifikation von neuen, bislang unbekannten, Risikogenen möglich.

Von besonderer Bedeutung ist, dass nun basierend auf hypothesen-frei generierten Daten der Fettstoffwechsel sowie die Entzündung als besonders wichtige Pathomechanismen bestätigt wurden. Insbesondere der Zusammenhang zwischen Inflammation und KHK wird zukünftig im Rahmen des Exzellenzclusters „Inflammation at Interfaces“ der Universitäten Lübeck und Kiel funktionell untersucht werden.

Die Ergebnisse werden von Prof. Schunkert erklärt: „Trotz der Bedeutung der bekannten Risikofaktoren trifft der Herzinfarkt viele Menschen völlig unerwartet. Die Arbeiten legen den Grundstein für die System-medizinische Aufklärung der Krankheitsentstehung. Ultimativ können so neue Ansätze zur Prävention entwickelt werden“. Prof. Erdmann ergänzt: „Die Erkenntnisse führen nun zu funktionellen Analysen der identifizierten Risikogene im Labor. Hierdurch erhoffen wir uns dann mittelfristig neue therapeutische Ansätze zum Wohle der Patienten“.

Originaltitel der Publikation:
The CARDIoGRAMplusC4D Consortium (2012) ‘Large-scale association analysis identifies new risk loci for coronary artery disease’ Published online in Nature Genetics on 02 December 2012 Doi: 10.1038/ng.2480


Für weitere Fragen stehen zur Verfügung:
Prof. Dr. rer. nat. Jeanette Erdmann
Institut für Integrative und Experimentelle Genomik
Universität zu Lübeck
Ratzeburger Allee 160
D-23538 Lübeck
Phone: +49-451-500-4857
Fax: +49-451-500-6437
E-mail: jeanette.erdmann@uksh.de

Prof. Dr. med. Heribert Schunkert
Deutsches Herzzentrum München
Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen
Technische Universität München
Lazarettstraße 36
D-80636 München
Phone: +49-89-1218-4073
Fax: +49-89-1218-4013
E-mail: schunkert@dhm.mhn.de