NGFN-PLUS

Klassifikation von Phänotyp-Genotyp-Beziehungen bei neurodegenerativen Erkrankungen

Leitung:    Prof. Dr. Josef Priller
Institut: Neuropsychiatrie, Charité-Universitätsmedizin Berlin
Homepage: http://www.charite.de/psychiatrie/
Dieses Teilprojekt erweiterte die grundlagenwissenschaftliche Forschung innerhalb des NeuroNet um einen klinisch-orientierten Ansatz. Ziel des Vorhabens war die Erstellung von klinischen Syndromfamilien zur Aufdeckung neuer Zusammenhänge zwischen Genen, Proteinen und Proteininteraktionen bei neurodegenerativen Erkrankungen.

Zunächst wurden von Patienten mit Parkinson Erkrankung (PD), Huntington Erkrankung (HD), Alzheimer Erkrankung (AD), amyotropher Lateralsklerose (ALS) und spinozerebellären Ataxien (SCA) sowie von gesunden, altersentsprechenden Probanden lymphoblastoide Zelllinien (LCL) generiert. In Kooperation mit den Teilprojekten 1, 6 und 8 erfolgte eine umfangreiche Genexpressionsanalyse der von uns generierten LCL unter Verwendung von Microarrays sowie von Blutproben mittels RNA-Sequenzierung (Priller et al., Manuskript in Vorbereitung). Die Ergebnisse legen nahe, dass Blutzellen ähnliche transkriptionelle Veränderungen aufweisen können wie sie auch im Gehirn von Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen beobachtet werden. Damit könnten LCL in Zukunft für Untersuchungen zur Pathogenese neurodegenerativer Erkrankungen und für pharmakologische Testungen nützlich sein.

In Zusammenarbeit mit Teilprojekt 8 erfolgte die Erstellung einer Datenbank mit standardisierten und gewichteten Phänotyp-Beschreibungen für definierte neurodegenerative Erkrankungen. Basierend auf einem validierten, automatisierten Datamining-Ansatz wurden aus ~10 Millionen Abstracts biomedizinischer Veröffentlichungen aus öffentlich zugänglichen Datenbanken (PubMed/Medline) Listen von Worten bzw. MeSH-Bezeichnungen erstellt, die mit PD, AD, HD, ALS und SCA annotiert sind. Mit Hilfe des MedlineRanker (naïve Bayes lineare Klassifikation; Fontaine et al., Nucleic Acids Res 2009) wurden diese Listen nach der Frequenz der Begriffe im untersuchten Datensatz gewichtet und als Heatmap visualisiert (Abb. 1). Anschließend wurden die Listen manuell durch klinische Experten bearbeitet und von diesen in Kategorien unterteilt sowie nach klinischer Bedeutung gewichtet. Mit dieser Technik konnten Endophänotypen neurodegenerativer Erkrankungen differenziert werden, z.B. AD mit spatischer Paraparese und HD mit Motoneuron-Beteiligung, (REM)-Schlafstörungen, Tics/Tourette-Syndrom, zervikaler Dystonie und progressiver Myoklonus-Epilepsie (Fontaine et al., Manuskript in Vorbereitung). Die erstellte Datenbank mit standardisierten und gewichteten Phänotyp-Beschreibungen für AD, PD, HD, ALS und SCA wird sich als nützlich für die Integration künftiger genetischer und Protein(interaktions)daten herausstellen.


Kooperationspartner: Dr. Miguel Andrade (TP8), Dr. Jean-Fred Fontaine (TP8), Dr. Wilfried Nietfeld (TP6), Dr. Katja Neugebauer (TP6), Dr. Jenny Russ (TP1), Dr. Tobias Doerks (TP8), Prof. Dr. Thomas Gasser (Universität Tübingen), Prof. Dr. Harald Hampel (Universität Frankfurt), Prof. Dr. Thomas Meyer (Charité-Universitätsmedizin Berlin), Dr. Alexey Soldatov (Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik, Berlin), Dr. Harald Gelderblom (Charité-Universitätsmedizin Berlin), Prof. Dr. Heidemarie Neitzel (Charité-Universitätsmedizin Berlin)



Abb. 1: Heatmap-Ausschnitt von Phänotyp-Beschreibungen (MeSH-Bezeichnungen) neurodegenerativer Erkrankungen (SCA: spinozerebelläre Ataxien, AD: Alzheimer Erkrankung, ALS: amyotropher Lateralsklerose; HD: Huntington Erkrankung; PD: Parkinson Erkrankung). Die Gegenüberstellung veranschaulicht klinische Überschneidungen, die sich rechnerisch in phänotypischen Ähnlichkeitsmaßen ausdrücken lassen.