Die Replikation


Die Replikation - Wie die DNA verdoppelt wird


Mit dem Modell der DNA-Doppelhelix beantworteten Watson und Crick nicht nur die Frage, wie das zentrale Molekül der Genetik überhaupt aufgebaut ist. Nach Veröffentlichung des Doppelhelix-Modells im Jahr 1953 war allen Experten klar: Die beiden DNA-Stränge der Doppelhelix können als Kopiervorlage (Matrize) für die neu zu synthetisierenden Tochterstränge dienen. Das wussten auch Watson und Crick, wie aus dem Schlusssatz ihrer Originalveröffentlichung zu entnehmen ist:
„It has not escaped our notice that the specific pairing we have postulated immediately suggests a possible copying mechanism for the genetic material.“
„Es ist uns nicht entgangen, dass die spezifische Paarung, die wir vorgeschlagen haben, direkt auf einen möglichen Mechanismus der Vervielfältigung des genetischen Materials hinweist.“
(James D. Watson und Francis Crick (1953), Molecular Structure of Nucleic Acids, Nature No. 4356)

Und so funktioniert die Verdopplung der DNA:
Vor einer Zellteilung muss jeder DNA-Faden im Zellkern verdoppelt werden, damit beide Zellen nach der Teilung die vollständige Erbinformation besitzen. Dieser Vorgang wird Replikation genannt. Ein ganzer Bautrupp an Enzymen sorgt dafür, dass die Replikation reibungslos verläuft: Damit die beiden DNA-Stränge überhaupt abgelesen werden und als Matrize bei der Replikation dienen können, wird die doppelsträngige DNA zunächst entwunden und wie ein Reißverschluss getrennt. Das Enzym, das die beiden Einzelstränge der Doppelhelix voneinander trennt, heißt Helicase. Um zu verhindern, dass sich die Basen der beiden Einzelstränge wieder verbinden, lagern sich unmittelbar hinter der Trennungsstelle spezielle Proteine an die unverbundenen „Zähne des Reißverschlusses“ an.

Ein „Verknüpfungs“-Enzym, die DNA-Polymerase III, wandert in kurzer Entfernung hinter der vorrückenden Helicase her und bildet an jedem der beiden Einzelstränge einen neuen Tochterstrang. Da die DNA-Polymerase nur bereits vorhandene Nukleotidketten verlängern kann, benötigt sie kleine Startsequenzen. Diese Startsequenzen sind kurze RNA-Moleküle, sogenannte Primer, die von dem Enzym Primase gebildet werden. Für die Synthese eines neuen Strangs fischt die DNA-Polymerase III frei in der Zelle vorhandene Nukleotide und verbindet diese mit den Einzelsträngen. Die DNA Polymerase III lagert nur solche Nukleotide an, die komplementär zum Originalstrang passen: Adenin wird immer mit Thymin verbunden, Cytosin mit Guanin.
Die Verdopplung der beiden Einzelstränge erfolgt nicht auf die gleiche Weise: Die DNA-Polymerase III kann einen neuen Strang immer nur in einer bestimmten Richtung verlängern. Deshalb wird nur einer der beiden Tochterstränge kontinuierlich synthetisiert. Damit beide Stränge der Doppelhelix dennoch gleichzeitig und insgesamt in eine Richtung synthetisiert werden können, muss die Natur in die Trickkiste greifen: Der gegenläufige Tochterstrang wird häppchenweise aus Fragmenten zusammengebaut. Die DNA-Polymerase III verdoppelt nur ein kurzes DNA-Stück von rund 1.000 Nukleotid-Bausteinen. Dieser DNA-Abschnitt wird zunächst rückwärts, also entgegen der voranschreitenden Helicase synthetisiert. Dann löst sich die DNA-Polymerase III von der DNA, springt in Richtung der inzwischen weiter gewanderten Trennungsstelle und produziert erneut einen kurzen DNA-Abschnitt. Diese so entstandenen anfänglich noch unverbundenen DNA-Teilabschnitte werden nach ihrem Entdecker Okazaki-Fragmente genannt. Die DNA-Polymerase III benötigt für diese wiederholten Anlagerungen immer neue Primer. Die DNA-Polymerase I entfernt im Anschluss die Primer und füllt die entstandenen Lücken mit passenden Nukleotiden auf. Dem Bautrupp der Polymerasen folgen weitere Spezialisten: die DNA-Ligasen. Ihre Aufgabe ist es, die Okazaki-Fragmente zu verbinden – fertig sind zwei neue DNA-Stränge.

Als Ergebnis erhält man im neuen Doppelstrang dieselbe „Bausteinsequenz“ wie im ursprünglichen DNA-Doppelstrang. Die DNA wurde also identisch kopiert. So wird es möglich, dass bei der Teilung einer Körperzelle die daraus hervorgehenden beiden Tochterzellen die gleiche Erbinformation wie die Mutterzelle besitzen.

Kopierfehler bei der Replikation können schwere Schäden für die entstehenden Tochterzellen bedeuten. Deshalb ist die Kopiergenauigkeit sehr hoch: Sie liegt bei etwa einem Fehler pro eine Milliarde (109) Bausteinverbindungen. Das entspricht in etwa einem Tippfehler auf ca. 500.000 Schreibmaschinenseiten. Die Zelle verfügt über besondere Enzyme, die hinter der Replikationsgabel „Korrektur lesen“ und nicht passende Bausteine durch die „richtigen“ ersetzen.

Der Vorgang ist darüber hinaus sehr schnell: Wissenschaftler haben errechnet, dass die DNA-Polymerase bis zu 7.000 Nukleotide pro Sekunde(!) verknüpfen kann.