Erbsache Herzinfarkt - Risikogene enthüllen neue Mechanismen
upload/mediapool//200/pitopia_442730_3zu4.jpg
Jährlich erleiden in Deutschland 274.000 Menschen einen Infarkt, 174.000 dieser Infarkte verlaufen tödlich. Dabei sind in zunehmender Weise auch Frauen betroffen. Vererbbare Risikofaktoren spielen neben den bekannten Risikofaktoren wie Alter, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus, Zigarettenrauchen und Übergewicht eine erhebliche Rolle bei der Entstehung der Erkrankung.
Mit der Entdeckung neuer Mechanismen bei der Vererbung des Herzinfarkts können neue Ansätze für die Prophylaxe und Therapie des Herzinfarktes entwickelt werden.

Die Wissenschaftler der Universität zu Lübeck entdeckten gemeinsam mit deutschen (München, Kiel, Mainz und Regensburg), europäischen und amerikanischen Kollegen auf den Chromosomen 3 und 12 Gene, deren Varianten mit dem Herzinfarkt korreliert werden. Bei einem dieser Gene, dem so genannten MRAS-Gen, wird angenommen, dass es eine wichtige Rolle in der Gefäßbiologie spielt. Bei dem zweiten Gen, dem HNF1A-Gen, besteht eine enge Beziehung zum Cholesterinstoffwechsel.
„Wir haben das gesamte menschliche Genom bei 1.200 Patienten mit Herzinfarkt und einer gleich großen Anzahl von gesunden Probanden mit einer Million genetischer Marker untersucht“, erläutert Professor Jeanette Erdmann von der Universität zu Lübeck das Vorgehen. Jeder DNA-Marker steht für einen winzigen Chromsomenabschnitt und kann bei jedem Menschen in Varianten vorkommen. Die Wissenschaftler haben nun errechnet, welche Varianten bei Herzinfarktpatienten gehäuft vorkommen. Um dies statistisch abzusichern, wurden Kontrolluntersuchungen an weiteren 25.000 Patienten und gesunden Personen durchgeführt, die das Ergebnis klar bestätigten.

Mit einem ähnlichen Ansatz wurden drei weitere Gene auf den Chromosomen 2, 6 und 21 identifiziert, die man bisher gar nicht mit Herzinfarkt in Verbindung gebracht hat. Sie spielen insbesondere bei dem Herzinfarkt, der bereits in frühem Alter auftritt, eine Rolle. 12.000 Patienten mit Herzinfarkt wurden mit ebenso vielen Gesunden verglichen, um dieses Resultat statistisch sicher zu untermauern. Die Lübecker Wissenschaftler sowie weitere im NGFN geförderte Forscher sind an dieser Arbeit, die im Namen des Myocardial Infarction Genetics Consortium veröffentlicht wird, maßgeblich beteiligt.
Die Ergebnisse deuten auf einen komplexen Mechanismus: Menschen, die nicht nur einen, sondern mehrere der genetischen Marker in sich tragen, hatten eine mehr als doppelt so hohe Herzinfarktwahrscheinlichkeit. Je höher die Anzahl der jetzt identifizierten Krankheitsgene, umso höher war das Krankheitsrisiko.
Das neu erworbene Wissen wird zukünftig helfen, das Herzinfarktrisiko zu bestimmen, um frühzeitig präventiv tätig zu werden. Das Ziel ist, das Risiko für das Entstehen eines Herzinfarktes durch vorbeugende Maßnahmen zu verringern.

In der dritten Arbeit haben die Wissenschaftler auf dem Chromosom 6 eine Region entdeckt, die mit der koronaren Herzerkrankung vergesellschaftet ist. Das dort lokalisierte LPA-Gen reguliert die Konzentration eines Partikels, das im Blut Fette transportiert. Dieses Ergebnis sowie die Ergebnisse der ersten oben genannten Studie erzielten die Wissenschaftler in dem von der EU geförderten und in Lübeck koordinierten Konsortium Cardiogenics (www.cardiogenics.eu). Das Besondere dieser Arbeit liegt in der hohen Dichte der genetischen Information, die erreicht wurde, in dem die Wissenschaftler Kombinationen aus bis zu zehn benachbarten Markern hinsichtlich ihres Einflusses auf das Herzinfarktrisiko untersuchten (sog. Haplotypen). „Kaum eines der neu identifizierten Gene passt in die etablierten Klischees zur Entstehung des Herzinfarktes“, hebt Professor Heribert Schunkert, Leiter des Genomverbundes Atherogenomics in NGFN-Plus hervor. Das erworbene Wissen in neue Ansätze zur Prophylaxe und Behandlung des Herzinfarktes umzusetzen, ist nun hochaktuelle Aufgabe für die Wissenschaftler.