NGFN-TRANSFER

Sekretomanalyse und molekulare Phänotypisierung chronisch-niereninsuffizienter Patienten

Leitung:    Dr. Vera Jankowski
Institut: Charite | Medizinische Klinik IV (CBF)
Homepage: www.charite.de/kliphatox
Gegenwärtig werden für die erhöhte Mortalität chronisch-niereninsuffizienter Patienten divergente Erklärungsansätze diskutiert. Hierzu zählen unter anderem die Hypertriglyceridämie, erhöhte Lipoprotein-(a)-Konzentrationen, vermehrte Bildung des oxidierten Low-densitiy Lipoproteins (ox.LDL), Bluthochdruck oder Hyperhomocysteinämie [1]. Zusätzlich zu diesen Mechanismen werden jedoch bisher unbekannte Mediatoren eine Bedeutung für die vermehrte Inzidenz kardiovaskulärer Erkrankungen chronisch-niereninsuffizienter Patienten zugeschrieben. Im Rahmen dieses Teilprojekts sollten Mediatoren und Mechanismen aufgeklärt werden, die ursächlich für die kardiovaskulären Erkrankungen dieser Patienten sind.



Das Teilprojekt war in vier Unterbereiche eingeteilt:
 
(1.1) Im ersten Bereich wurde die Zusammensetzung des endothelialen Sekretoms und den assoziierten Zellen analysiert.

Im Rahmen dieses Unterbereichs wurden insgesamt 4 Mediatoren identifiziert, die einen direkten Einfluss auf die Gefäßphysiologie haben. So konnte ein neues Angiotensin-Peptid identifiziert werden: Nachdem sich die Hinweise auf die Existenz weiterer Angiotensin-Peptide mehrten, konnte im Rahmen des NTCVD-Projekts ein weiteres vasoregulatorisch-wirkendes Peptid des Renin-Angiotensin-Systems im humanen Plasma nachgewiesen werden. Es handelt sich um ein Oktapeptid, dessen Aminosäuren 3-8 identisch zu den Aminosäuren 3-8 des Angiotensin II sind. In einer de-novo-Sequenzierung konnte die Aminosäuresequenz des betreffenden Peptids mit Pro-Glu-Val-Tyr-Ile-His-Pro-Phe bestimmt werden. Die Aminosäuren 3-8 des isolierten Peptids sind mit der entsprechenden Sequenz des Ang II identisch, jedoch unterscheiden sich die Aminosäuren 1-2 des Angioprotektins zu den 1-2 Aminosäuren des Ang II (Pro-Glu vs. Asp-Arg). Aufgrund dieser Aminosäurensequenz-Homologie und der von diesem Peptid bedingten protektiven Eigenschaften leitet sich der Name des betreffenden Peptids „Angioprotektin“ ab. Da verfügbare Antikörper nicht zwischen Angioprotektin und Ang II unterscheiden, wurden zur Quantifizierung des Angioprotektins massenspektrometrische Methoden eingesetzt. Die Angioprotektin-Konzentration im menschlichen Plasma entspricht ca. 20% der Ang II-Konzentration. Angioprotectin moduliert die Ang-II-vermittelten Vasokonstriktion in nahezu linearer Abhängigkeit der Angioprotektin-Konzentration. Es konnte gezeigt werden, dass Angioprotektin durch die Stimulation des MAS-Rezeptors die vasokonstriktorischen Wirkungen des Ang II moduliert.
Weiterhin konnte ein Faktor identifiziert werden, der den Prozess der vaskulären Kalzifizierung inhibieren kann. Vaskuläre Kalzifizierung ist essentiell für die erhöhte kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität von Patienten mit Niereninsuffizienz. Ein Ungleichgewicht zwischen inhibitorischen und induzierenden Mediatoren tragen einen wesentlichen Beitrag dieser vermehrten vaskulären Kalzifizierung in den betreffenden Patientengruppen.

Im Rahmen des Teilprojekts wurden zelluläre Sekretoms nach bisher nicht-identifizierten Inhibitoren der vaskulären Kalzifizierung gescreent, da die Antragssteller davon ausgingen, dass gegenwärtig noch nicht-identifizierte Inhibitoren in dem Kalzifizierungsprozeß involviert sind. Es konnte in Folge der peptidischer Faktor aus dem Sekretom chromatographisch isoliert und massenspektrometrisch identifiziert werden. Im Anschluss wurde das Peptid auch als Bestandteil des humanen Plasmas nachgewiesen. Die hohe inhibitorische Potenz des Peptids konnte sowohl durch in-vivo- als auch in in-vitro-Versuchsreihen dokumentiert werden. Das Peptid wird von Zellen nach Stimulation aktiv sezerniert.

Nach der massenspektrometrischen Identifizierung des Peptids wurde die physiologische und pathophysiologische Bedeutung des Peptids untersucht. Sowohl histologisch als auch durch Quantifizierung des Ca2+-Gehalts von Gewebe konnte die inhibitorische Wirkung belegt werden.
Nach der Isolierung des betreffenden Peptids im humanen Plasma, wurden die Plasmaspiegel bei CKD-Patienten der NTCVD-Studie und in der nierengesunden Kontrollgruppe massenspektrometrisch bestimmt. Die Plasmakonzentrationen chronischen-niereninsuffizienter Patienten waren deutlich im Vergleich zur nierengesunden Kontrollgruppe verringert. Die verringerten Plasmakonzentrationen bei Patienten könnten durch die dadurch erhöhte vaskuläre Kalzifizierung einen Beitrag zu der erhöhten kardiovaskulären Mortalität bei CKD-Patienten leisten.  

(1.2) Im zweiten Unterbereich wurden post-translational modifizierte Proteinen und Peptide analysiert.
Im Rahmen des zweiten Unterbereichs wurden Plasmaproteine chromatographisch aufgereinigt und massenspektrometrisch bezüglich post-translationale Modifizierungen untersucht. Die Analysen zeigten, dass Modifizierungen des Albumins, beta-2-Mikroglobulins, Cystatin-C charakteristisch für chronisch-niereninsuffizienter Patienten nicht jedoch für nieren-gesunde Kontrollprobanden sind. Innerhalb der Patientengruppe waren die betreffenden post-translationalen Modifizierungen reproduzierbar. Es ist gelungen, endogene Proteine unter in-vitro-Bedingungen in vergleichbarer Weise zu modifizieren. Es wurden Untersuchungen durchgeführt, inwieweit die betreffenden post-translationalen Modifizierungen Einfluss auf die Bindungsstärke mit urämischen Mediatoren ausüben. Aufgrund der hohen klinischen Relevanz der Ergebnisse wurden diese zur Patentierung angemeldet.

Darüberhinaus wurde im Rahmen des TP-1 ein Peptid isoliert, das direkt in die Regulation des Vasotonus eingebunden ist. Das betreffende Peptid wurde aus dem Sekretom stimulierter Zellen chromatographisch isoliert. Nach jedem chromatographischen Schritt wurden die betreffenden Fraktionen mittels Bioassays auf vasoregulatorischen Wirkungen gescreent. Das aus Nebennieren isolierte, aufkonzentrierte und durch verschiedene Chromatographie-Schritte fraktionierte Sekretomen hatte eine vasodilatative Wirkung auf isolierte Rattenarterien und verringert die vasokonstriktorische Wirkung von bekannten starken vasokonstriktorischen Biomolekülen wie Angiotensin-II.

(1.3) Im dritten Unterbereich wurde der molekulare Phänotyp chronisch-niereninsuffizienter Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen bestimmt. Dieser als „molekulares Phenotyping“ bezeichnete Ansatz stellt dabei die Fortführung des klassischen genomischen Forschungsansatzes dar.

Im Rahmen des Unterbereichs 3 wurden Plasmen von 248 chronisch niereninsuffizienter Patienten mittel eines LC-MS-basierten proteomischen Ansatzes analysiert. Es wurden Baseline-Proben, Follow-up-Proben ein Jahr nach Einschluss und Follow-up-Proben zwei Jahre nach Studien-Einschluss analysiert. Die betreffenden Plasmen wurden initial mittels einer analytischen Reversed-Phase-Chromatographie vorfraktioniert und anschließend lyophilisiert. Anschließend wurden die resultierenden Fraktionen mittels einer Cap-HPLC fraktioniert und on-line mittels einer Elektrospray-Massenspektrometrie-Einheit analysiert. Es wurden mehr als 1-Mio-Massenspektren von den betreffenden Proben generiert und systembiologisch ausgewertet. Es wurden ca. 35 Mediatoren identifiziert werden, durch den die betreffenden Gruppen sowie den Status der chronischen Niereninsuffizienz bestimmt werden kann. Die betreffenden Substanzen wurden bzw. werden gegenwärtig noch massenspektrometrisch identifiziert. Die betreffenden Biomarker werden nach Identifizierung patentrechtlich geschützt.

(1.4) Im vierten Unterbereich wurden die physiologischen und pathophysiologischen Wirkungen bekannter beziehungsweise im Rahmen des Projekts identifizierter Mediatoren auf den kardiovaskulären Status chronisch-niereninsuffizienter Patienten untersucht.

In diesem Teil des TP-1 wurden 74 gegenwärtig identifizierte urämische Mediatoren in einem experimentellen Ansatz auf ihr vasoaktives Potential mit Hilfe eines Bioassays untersucht. Ziel war es durch die systematische Untersuchung bisher unbekannte vasoaktive urämische Mediatoren zu identifizieren und ihre pathophysiologische Bedeutung für Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz einzuordnen. Die Ergebnisse bestätigten die vasoregulatorischen Eigenschaften bisher bekannten Mediatoren wie Endothelin; darüberhinaus wurden insgesamt 6 bisher unbekannte Vasokonstriktoren identifiziert. Von diesen Mediatoren wurden im Rahmen der Untersuchungen die Dosis-Abhängigkeiten bestimmt, die betreffenden Substanzen im Plasma von chronisch-niereninsuffizienten Patienten bestimmt sowie die Rezeptoren ermittelt, die die vasoregulatorische Wirkungen vermitteln.

Weiterhin wurde die Wirkungen der bekannten urämischen Toxine auf die Aktivität der NADPH-Oxidase-Aktivität untersucht. Die NADPH-Oxidase wurde jüngst aufgrund der Produktion reaktiver Sauerstoffverbindungen nachweislich mit der Genese kardiovaskulärer Erkrankungen in Verbindung gebracht. Im Rahmen des TP-1 wurden Lymphozyten aus dem Blut gesunder Spender isoliert, kryolysiert und anschließend mit NADPH inkubiert. Die Metabolisierung des NADPH durch die NADPH-Oxidase wurde in Anwesenheit einzelner Urämie-Toxine über einen Zeitraum von zwei Stunden mit einem Plattenphotometer bei 340 nm gemessen.

Es stellte sich heraus, dass vier Substanzen einen bisher unbekannten aktivierenden Effekt auf die Aktivität der NADPH-Oxidase ausüben und so aufgrund der gesteigerten Produktion von reaktiven Sauerstoffverbindungen direkt die Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen vorantreiben. 35 inhibitorische Urämie-Toxine üben auf diesem Weg hingegen eine protektive Funktion aus.
Nichtsdestotrotz sind propathogenetische Effekte über andere Pathogenesemechanismen oder durch bisher unbekannte Substanzinteraktionen durchaus denkbar. Gleiches gilt für jene Urämie-Toxine, die keinen Effekt auf die Aktivität der lymphozytären NADPH-Oxidase aufwiesen. Weiterhin wurde der Effekt von Plasma gesunder Probanden, Plasma niereninsuffizienter Patienten vor und nach der Dialyse, deren Hämofiltrat sowie ein „künstliches“ Hämofiltrat, das durch Mischung der bisher bekannten Urämie-Toxine hergestellt wurde, auf die Aktivität der NADPH-Oxidase untersucht. Es zeigte sich, dass sowohl das Plasma nierengesunder Probanden als auch das Patientenplasma vor der Dialyse sowie deren Hämofiltrat und das „künstliche“ Hämofiltrat einen inhibitorischen Effekt auf die NADPH-Oxidase haben, während für das Patientenplasma nach der Dialyse kein Einfluss nachgewiesen werden konnte. Folglich werden bei der Dialyse Substanzen aus dem Blut entfernt, die physiologischerweise bei Gesunden vorkommen und aufgrund ihrer inhibitorischen Wirkung dort hinsichtlich der Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen protektiv wirken.