NGFN-PLUS

Genomweite Assoziationsanalyse der Migräne ohne Aura und funktionelle Charakterisierung der Krankheits-assoziierten Allele

Leitung:    Prof. Dr. Martin Dichgans
Institut: LMU München, Klinikum Großhadern, Neurologische Klinik und Poliklinik
Homepage: www.neurogenetik.de
Die Migräne, eine schwere primäre Kopfschmerzerkrankung, zählt zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen (Prävalenz 15%). Mehr als 2/3 der Patienten leiden an einer Migräne ohne Aura (MO), d.h. ohne begleitende neurologische Reiz- oder Ausfallsymptome. Bereits seit langem ist eine erhebliche genetische Komponente der Migräne bekannt, jedoch hatten sich für die häufigen, genetisch komplexen Formen bis vor kurzem keine robusten genetischen Risikofaktoren gezeigt. In TP1 wurde mittels einer genomweiten Assoziationsstudie  (GWAS) im Rahmen des International Headache Genetics Consortium (IHGC) in 2010 zum ersten Mal eine Risikovariante für die Migräne mit Aura (MA) identifiziert (Anttila et al., Nat. Genet. 2010), welche für die zerebrale Glutamat-Homöostase eine Rolle zu spielen scheint. Eine Populations-basierte Arbeit, in deren Replikationsphase Daten aus TP1 und TP2 einflossen, fand drei weitere Risikovarianten für Migräne allgemein (Chasman et al., Nat. Genet. 2011). Ziel von TP2 war es nun, gezielt die genetische Suszeptibilität für MO, d.h. den klinisch häufigsten Migräne-Subtyp, zu untersuchen.
Im Kontext des IHGC wurden zwei grosse Klinik-basierte und sorgfältig phänotypisierte MO-Kollektive aus Deutschland (München, Ulm) und den Niederlanden (n=2360) mittels Illumina-Chips genomweit genotypisiert, als Kontrollen dienten verfügbare GWAS-Datensätze aus Populations-basierten Kollektiven (n=4580). Die Rohdaten wurden auf HapMap3-Niveau imputiert und einer genomweiten logistischen Regressionsanalyse unterzogen. Die vielversprechendsten Ergebnisse der ersten Studienphase (Loci mit ? 2 SNPs mit P < 1 x 10-5) wurden in vier weiteren über das IHGC verfügbaren Klinik-basierten Europäischen Kollektiven (Finnland, Holland, Spanien und Norwegen) auf Replikation getestet.
In einer Meta-Analyse des gesamten Datensatzes (inkl. der Replikationsphase) konnten wir ingesamt vier genomweit signifikante (P < 5 x 10-8) Suszeptibilitäts-Loci für die MO in oder in der Nähe der Gene MEF2D, PHACTR1, ASTN2 and TGFBR2 identifizieren. Ferner konnten wir SNPs an zwei weiteren Genorten (TRPM8 und LRP1), für die in der populationsbasierten Arbeit (Chasman et al. 2011) eine Assoziation mit Migräne allgemein gefunden worden war, in unserem Klinik-basierten MO-Kollektiv replizieren. Die identifzierten Gene weisen auf eine Bedeutung zerebraler Übererregbarkeit, aber auch vaskulärer Mechanismen bei der Pathophysiologie der Migräne ohne Aura hin.

Literatur:
Freilinger et al. Genome-wide association analysis identifies susceptibility loci for migraine without aura. Nat Genet. 2012;44(7):777-82.