NGFN-PLUS

FunktionelleBeteiligung der Alzheimer Risikogene an Lipidhomöostase, Aβ Metabolismus und Aβ Antwort

Leitung:    Prof. Dr. Tobias Hartmann
Institut: Experimentelle Neurologie, Deutsches Institut für Demenzprävention der Universität des Saarlandes
Homepage: www.didp.org
Ätiologie, Pathogenese und Risikofaktoren der Alzheimer Krankheit sind stark mit dem Fettstoffwechsel verbunden. Entsprechend kommt den Lipidgenen und anderen mit dem Fettstoffwechsel in Zusammenhang stehenden Faktoren eine große Bedeutung bei der Suche nach neuen therapeutischen Zugängen zu. Tatsächlich ist auch das zentrale Gen der Alzheimer Pathogenese, das Alzheimer Amyloid Vorläufer Protein (APP) ein Regulator der Lipidhomöostase wie wir bereits frühzeitig im Rahmen des NGFN herausgefunden hatten (Grimm et al., 2005, Nature Cell biology). Als Regulator der Lipidhomöostase reagiert das APP sehr empfindlich auf Schwankungen des neuronalen Lipidgehaltes, was einerseits zur vermehrten Freisetzung des Alzheimerplaque Grundmoleküls Aβ, z.B. durch Cholesterin ausgelöst werden kann, andererseits kann diese Freisetzung auch durch bestimmte Fettsäuren, wie der im Gehirn stark angereichertem Omega-3 Docosahexaensäure, verhindert werden.

Da der Fettstoffwechsel leicht über die Ernährung beeinflusst werden kann und derartige Risikofaktoren bereits frühzeitig, d.h. Jahrzehnte vor Ausbruch der Demenz, die Pathogenese beeinflussen, bemüht man sich zunehmend derartige therapeutische Zugänge in der frühzeitigen und vor allem präventiven Intervention zu verwenden.

Im Rahmen dieser Forschungsarbeiten haben wir einen großen Teil der Schlüsselgene, vor allem aus der Gruppe der Lipidenzyme, identifiziert, welche durch APP, Aβ und AICD reguliert werden. Hierbei zeigte sich, dass der überwiegende Anteil dieser Enzyme gleich zweifach mit APP und der Aβ-Generierung verbunden ist.

Einerseits, führt vor allem die Freisetzung von Aβ zu einer Veränderung der enzymatischen Aktivität dieses LIpidenzyms, d.h. es wird die Menge des zu produzierenden Lipides verändert. Andererseits führt genau dieses Veränderung dieses Lipides zu einer veränderten Produktion von Aβ. Dies lässt sich potentiell für therapeutische Zugänge nutzen. So lassen sich bestimmte die Aβ Produktion fördernde Lipide relativ einfach absenken. Zum Beispiel das Cholesterin durch die Gabe von Cholesterin senkenden Statinen wie dem weit verbreitetem Simvastatin. Andere, wie die oben erwähnte Docosahexaensäure lassen sich problemlos über die Nahrung, bzw. eine Nahrungsergänzung zufügen. Tatsächlich zeigt eine auf Docosahexaensäure beruhende Intervention im Anfangsstadium der Demenz eingesetzt eine signifikante Verbesserung der Gedächtnisleistung. Weitergehende Studien, wie das EU Projekt LiPiDiDiet, oder die BMBF/DFG Studie Simamci sollen zeigen, ob diese Grundlagen Erkenntnisse zur Docosahexaensäure und zum Cholesterin für die Prävention von Demenz  einsetzbar sind.

Eine Besonderheit des Fettstoffwechsel ist es, dass viele Lipide, und deren Regulation, in stetiger Wechselwirkung stehen. Dies bedeutet, das eine Veränderung in der Menge eines Fettmoleküls immer auch eine Veränderung anderer Lipide bewirken wird. Tatsächlich ist genau diese zentrale Regulation eine der Funktionen des APP. Wie diese Forschungsarbeiten gezeigt haben wird über die mit der Aβ Freisetzung weitgehend verbundene Produktion des Genregulators AICD die Genexpression einer ganzen Gruppe an Lipidenzymen kontrolliert (Ein Beispiel ist in Abbildung 1 gezeigt). Dies ermöglicht einerseits der gesunden Nervenzelle eine Justierung ihres Fetthaushalt innerhalb optimaler Grenzen, andererseits führt dies bei pathologischen Bedingungen – wie Alzheimer – zu einer Entgleisung mit folgender kontinuierlichen Verschlimmerung der Erkrankung. Deswegen ist neben der genauen Kenntnis der einzelnen Gene und Faktoren, sondern insbesondere eine genaue Kenntnis der Zusammenwirkung dieser von enormer Bedeutung für die Entwicklung besserer therapeutischer Zugänge, insbesondere im Rahmen der Prävention und frühzeitigen Therapie von großer Bedeutung.


Abb. 1: Exemplarische Darstellung der Wirkweise des Aβ, des AICD und der Wechselwirkung auf die enzymatische Aktivität eines Lipidenzyms
(aus Grimm et al., 2012 PLoS One)

A: Ein Ausschnitt aus der Regulation des Lipidenzyms GD3-Synthase. Dieses Enzym besitzt eine Schlüsselrolle in der Festlegung des Lipidgleichgewichts der Ganglioside (zuckerhaltige Sphingolipide) im Gehirn. Ganglioside gehören zu den stärksten bekannten Aktivatoren der Aβ-Produktion. Lediglich das GM3 nimmt hier eine Sonderrolle ein, es hemmt die Aβ-Produktion (kleiner roter Rundbogen).
Rückkopplung - Ist zuviel Aβ vorhanden, wird normalerweise die Produktion der GD3-Synthase gehemmt, AICD unterstützt dies, indem die GD3-Synthase Expression gehemmt wird (große rote Rundbögen). Umgekehrt führt eine zu große Menge des Lipides GD3 zu einer Stimulierung der Aβ und AICD-Produktion (großer grüner Bogen). Dies stellt ein potentielles Risiko dar, da eine Zunahme an Aβ das Alzheimerrisiko erhöht. Im physiologischen Zustand kann die Zelle dies jedoch kompensieren und nutzt die vermehrte Aβ Produktion um die GD3-Synthase zu hemmen. Dadurch stellt die Zelle weniger GD3 her und der optimale Zustand ist wieder hergestellt. Es handelt sich hier um eine Kombination mehrerer simultan aktiver und voneinander abhängiger Regelkreise. Bereits das Versagen eines einzelnen Regulators führt zum teilweisen oder vollständigen Zusammenbruch des ganzen Regelsystems.
Durch Zugabe von GM3 Lipiden lässt sich die potentiell gefährliche Aβ Produktion von außen steuern und deutlich reduzieren.

B: Pathologie - Im pathologischen Zustand, z.B. bei Alzheimer oder in Gegenwart bestimmter krank machender Mutationen ist diese Regulation gestört, es kommt zu einer Entgleisung und einem sich verstärkenden pathologischen Zyklus.

C: Molekularer Mechanismus - Aβ bindet an das Lipidsubstrat (das Gangliosid „GM3“), das Lipid GM3 kann darauf zwar weiterhin an das Lipidenzym (GD3-Synthase) binden, aber das Lipidenzym GD3-Synthase ist nicht mehr in der Lage das GM3 in GD3 umzuwandeln. Die Neusynthese des Lipides GD3 kommt somit in Gegenwart von Aβ zum erliegen.