NGFN-PLUS

Aberrante Transkriptionsnetzwerke in humanem Epilepsiegewebe

Leitung:    Prof. Dr. Albert Becker
Institut: Institut für Neuropathologie, Bonn
Homepage: http://www.meb.uni-bonn.de/neuropath/
Epilepsie und Migräne stellen komplexe Erkrankungen des Zentralnervensystems dar. Beide Krankheiten weisen gemeinsam eine episodisch vermehrte neuronale Aktivität auf. Akute Insulte, z.B. Status epilepticus, rufen nicht selten die Entstehung eines chronischen Epilepsiefokus hervor. Die zugrunde liegenden Pathomechanismen dieser „Epileptogenese“ genannten Entwicklung sind noch vielfach unzureichend verstanden.
Sowohl im Kontext der Epilepsien als auch der Migräne sind Häufungen bestimmter Allelvarianten berichtet worden. Mehrere solche Varianten sind in Genpromotorbereichen lokalisiert. Vor dem Hintergrund der Verfügbarkeit humanen Gehirngewebes, welches aus der epilepsiechirurgischen Entfernung epileptogener Areale bei pharmakoresistenten Patienten gewonnen wurde, haben wir in der Laufzeit des NGFNplus Aufschluss über die funktionelle Bedeutung solcher Promotorvarianten erzielen können. Wesentliche Ergebnisse sind wie folgt:

A.    Gemeinsam mit den Projekten Schoch, Beck, Nöthen und Cichon haben wir in Patienten mit a priori Pharmakoresistenz auf Levetiracetam distinkte mRNA-Signaturen in hippokampalem Gewebe nach epilepsiechirurgischen Eingriffen beobachtet. Sogenannte Expressionsclusteranalysen zeigten eine erhebliche Vermehrung Synapsen-assoziierter Molekültranskripte. Dies lies sich teilweise auf eine Häufung spezifischer Promotorallelvarianten zurückführen. Diese Ergebnisse legen einen „overexposure of targets“-Mechanismus als mögliche Erklärung für a priori Levetiracetam-Pharmakoresistenz nahe.

B.    Ebenfalls in humanem epileptischem Gehirngewebe haben wir nachgewiesen, dass bestimmte Promotorvarianten in Genen vermehrt vorhanden sind, welche in den Metabolismus des wesentlichen inhibitorischen Neurotransmitters GABA eingebunden sind. Entsprechende Veränderungen können dazu führen, dass die Homöostase von GABA im betroffenen Gehirngewebe bei Epilepsiepatienten beeinträchtigt sein kann. Es ergeben sich so mögliche neue Zielstrukturen für eine verbesserte Pharmakotherapie.

C.    Serotonin-vermittelte Signalübertragung spielt eine wesentliche pathogenetische Rolle bei der Entstehung von Migräne. Wir haben in humanem Gehirngewebe nachgewiesen, dass ein bestimmter Serotoninrezeptor (1A) durch distinkte Promoterallelvarianten in der Transkription deutlich verändert ist und die Regulation durch Transkriptionsfaktor c-Jun in diesem Kontext eine erhebliche Bedeutung haben kann. Es handelt sich hierbei um eine neue Art von ‚Rezeptoropathie’ in humanem Gehirngewebe.

D.    Gemeinsam mit Kollegen aus dem NGFN MooDS Netzwerk (Prof. Nöthen und Cichon) haben wir genomweite komplementäre SNP-, Expressions- und Promotormethylierungsuntersuchungen durchgeführt. Die entsprechende Analyse hat in einer funktionellen Kartierung komplexer Genregulation in humanem Gehirngewebe resultiert.

Unsere Ergebnisse zur komplexen Genregulation in humanem Gehirngewebe können in der Zukunft zu verbesserten Behandlungsstrategien für episodische Erkrankungen des Zentralnervensystems mit der Inhibition aberranter Promotoraktivierungsmechanismen als Zielstruktur wesentlich beitragen. Diese Ergebnisse wurden nur die Förderung im Rahmen des NGFNplus erst ermöglicht.