NGFN-PLUS

Prognostische Gensignaturen und transkriptionell regulierende Netzwerke spontaner Regression in Neuroblastomen

Leitung:    PD Dr. Matthias Fischer
Institut: Klinik und Poliklinik für Allgemeine Kinderheilkunde der Universität zu Köln Abteilung Kinderonkologie und -hämatologie
Homepage: cms.uk-koeln.de/kinderonkologie
In Deutschland erkranken jährlich etwa 130 Kinder an einem Neuroblastom. Das Neuroblastom ist ein Tumor, der sich zumeist im Bauch- oder Brustraum aus Zellen des peripheren Nervensystems entwickelt. Die Erkrankung weist sehr unterschiedliche Verläufe auf: Bei etwa der Hälfte der betroffenen Kinder kommt es zu einem aggressiven Tumorwachstum, das trotz intensiver Behandlung oftmals zum Tod der Patienten führt. In anderen Fällen hingegen bildet sich das Neuroblastom spontan zurück und die Erkrankung heilt ohne eine belastende Chemotherapie aus. Die molekularen Grundlagen dieser unterschiedlichen Verlaufsformen sind bis heute nicht verstanden. Zudem gelingt die Unterscheidung der beiden Subtypen zum Zeitpunkt der Diagnose gegenwärtig nur unvollkommen. Die frühzeitige Bestimmung des zu erwartenden Krankheitsverlaufs ist für die Auswahl einer adäquaten Therapie jedoch eine essenzielle Voraussetzung.

Um die Risikovorhersage und Therapiesteuerung bei Neuroblastom-Patienten zu verbessern, haben wir anhand von Mikroarray-Experimenten einen Genexpressions-basierten prognostischen Klassifikator entwickelt. In retrospektiven und prospektiven Analysen zeigten wir, dass dieser Klassifikator klinische Verläufe exakt vorhersagt (Oberthür et al., 2010). Vor allem bei Patienten mit mittlerem und niedrigem Risiko erwies sich der Klassifikator als einziger signifikanter Prognosemarker. Auf dieser Grundlage haben wir ein neues Therapie-Stratifizierungs-System für Patienten mit niedrigem und mittlerem Risiko entwickelt, das eine Therapiesteuerung entsprechend der molekularen Eigenschaften des individuellen Tumors erlaubt. Wir planen nun die Implementierung des Klassifikators als Therapie-relevanten Prognosemarker in der kommenden deutschen Neuroblastomstudie.

Ein weiteres Ziel unseres Projektes war die Etablierung eines prädiktiven Klassifikators zur Identifizierung von Ultra-Hochrisiko-Patienten, bei denen aktuelle Standard-Therapien versagen. Die Abgrenzung einer solchen Patientengruppe könnte die Entwicklung neuer Behandlungsstrategien für Patienten mit äußerst schlechten Heilungschancen ermöglichen. In einem internationalen Kooperationsprojekt konnte ein solcher Genexpressions-basierter Biomarker für Patienten mit metastasiertem Neuroblastom etabliert werden (Asgharzadeh et al., 2012).

Um die Mechanismen der spontanen Regression und Differenzierung beim Neuroblastom zu ergründen, untersuchten wir die funktionelle Bedeutung zweier Transkriptionsfaktoren, die in frühe Prozesse neuronaler Differenzierung involviert sind. Eine hohe Expression dieser Gene war mit sehr günstigen klinischen Verläufen assoziiert. Die Re-Expression des Faktors Hox-C9 in Neuroblastomzellen unterdrückte das Tumorwachstum durch Aktivierung des intrinsischen Apoptoseweges annähernd komplett, was auf eine Rolle bei der spontanen Regression hinweisen könnte (Kocak et al., 2013). Die Re-Expression des zweiten Transkriptionsfaktors führte zu neuronaler Differenzierung und Seneszenz der Neuroblastomzellen, während die gezielte Ausschaltung einen Verlust der Differenzierungsfähigkeit unter Retinsäure-Exposition nach sich zog. Interessanterweise war eine hohe Expression dieses Gens in primären Neuroblastomen mit einer erfolgreichen Retinsäure-Behandlung assoziiert, so dass dieses Gen als prädiktiver Biomarker für Differenzierungstherapien bei Neuroblastom-Patienten genutzt werden könnte.

                                         
Abb. 1 (links): Hierarchische Cluster-Analyse von 174 Neuroblastomen und den Expressionswerten der 144 Klassifikator-Gene. Zeilen entsprechen Tumoren, Spalten repräsentieren Gene. Das Expressions-Niveau der Gene ist mittels logarithmierter Werte dargestellt (blau, +1,0; rot, -1,0). Die rechterseits dargestellte Spalte zeigt das Prädiktions-Ergebnis des Klassifikators (grün, günstig; rot, ungünstig).

Abb. 2 (rechts):
Ereignis-freies Überleben von 171 Patienten anhand des genetischen Tests. Patienten wurden entsprechend der Kriterien der Deutschen Neuroblastomstudie NB2004 in eine niedrige (A), mittlere (B) und hohe (C) Risikogruppe eingeteilt und mit Hilfe des molekularen Klassifikators klassifiziert (F, günstige Prädiktion; UF, ungünstige Prädiktion).