NGFN-PLUS

Validierung von Kandidatengenen für Adipositas und verwandte Krankheiten

Leitung:    Prof. PD Dr. Thomas Illig
Institut: Medizinische Hochschule Hannover (früher Helmholtz Zentrum München)
Homepage: www.helmholtz-muenchen.de
WB 2a Validierung von Kandidatengenen für Adipositas und verwandte Krankheiten in großen repräsentativen epidemiologischen Kinder- und Erwachsenen Kohorten

Teilprojektleiter:
Prof. Dr. Thomas Illig, Medizinische Hochschule Hannover

In WB2 fand die Validierung potentieller DNA-Varianten statt. Das Helmholtz Zentrum München fungierte dabei als Genotypisierungsplattform für die Studien KORA, GINI/LISA und der Kinderstudien aus Berlin, Datteln und Ulm. Außerdem wurden Adipositas Risiko Gene in einem genomweiten Methylierungsansatz auf epigenetische Einflüsse validiert. Die Uni Regensburg als festes Mitglied im GIANT Konsortium vermittelte den Kontakt zum Konsortium für NGFN Mitglieder und trägt dort aktiv zu allen laufenden Projekten bei. Zudem entwickelten wir zusammen mit den WB1 Partnern Strategien für Feinkartierung, Re-sequenzierung, epigenetische Analysen und Untersuchungen von Entwicklungs- und longitudinalen Aspekten der klinischen Relevanz und Gen–Gen- und Gen–Umwelt-Interaktionen.
In mehreren großen genomweiten Assoziationsstudien und folgenden Replikationsstudien konnten wir im Rahmen des DIAbetes Genetics Replication And Meta-analysis (DIAGRAM) Konsortiums zur Identifikation von bis heut 63 Riskovarianten für Typ 2 Diabetes sowie zwei Genvarianten, die geschlechtsspezifische Assoziationen für Typ 2 Diabetes zeigten beitragen (Voight et al., Nat Genet, 2010, Morris et al., Nat Genet, 2012). Die zugrundeliegenden Mechanismen der Krankheit können damit immer noch nicht vollständig aufgeklärt werden. Die gefundenen Gene scheinen aber in wenigen Schlüsselprozessen wie der Regulation des Zellzyklus, Adipozytokin Signalwege sowie Transkriptionsfaktoraktivität in Verbindung mit CREBBP. Ebenso trugen wir auch im Rahmen des Meta-Analyses of Glucose and Insulin-related traits Consortium (MAGIC) zur Identifikation von 36 Riskovarianten für Nüchtern Glukose, 19 für Nüchtern Insulin und 9 für 2 h Glukose bei (Dupuis et al., Nat Genet., 2010, Scott et al., Nat Genet., 2012).
Im Rahmen des GIANT (Genetic Investigation of ANthropometric Traits)-Konsortiums trugen wir zur Identifikation von 32 Riskovarianten mit Einfluss auf die Gewichtsregulation bei. Diese Genvarianten können einzeln oder in Kombination für Gewichtsunterschiede von 130 g bis 1.5 kg verantwortlich sein (Speliotes et al., Nat Genet. 2010). Der Vergleich der 5% Studienteilnehmer mit den höchsten BMI-(‚body mass index‘) Werten mit  den 5% mit den niedrigsten BMI Werten führte zur Identifikation 7 weiterer Risikovarianten für Adipositas (Berndt et al., Nat Genet. 2013). Eine nach Geschlecht stratifizierte Analyse mit anthropometrischen Merkmalen zeigte bei 7 Genvarianten signifikante Geschlechtsunterschiede. 6 Loki die nur bei Frauen assoziiert waren, mit 3 neuen (nahe MAP3K1, HSD17B4, PPARG) und 3 bereits etablierte (nahe GRB14/COBLL1, LYPLAL1/SLC30A10, VEGFA) Loki, sowie ein bereits publizierter Lokus (nahe ADAMTS9) der nur bei Männern einen abschwächenden Effekt zeigte (Randall et al., Plos Genet., 2013).
Neben den genomweiten Ansätzen wurden im Rahmen von WB2a auch zahlreiche Kandidatengenansätze unterstützt, die zu tieferen Einblicken in die jeweiligen Zusammenhänge führten (siehe Publikationsliste). Validierte Gene wurden zur funktionellen Charakterisierung an WB3 weitergeleitet.


WB 2b Auswirkungen einer Lifestyle Intervention im Zusammenspiel mit genetischen Varianten auf den Gewichtsverlauf in adipösen Kindern und Jugendlichen

Teilprojektleiter: PD Dr. Thomas Reinehr, Institut für Pädiatrische Ernährungsmedizin Vestische Kinder- und Jugendklinik, Universität Witten/Herdecke

In diesem Teilprojekt wird der Einfluss von genetischen Varianten auf den Gewichtsverlauf über bis zu 3 Jahre in einer Lifestyle Intervention untersucht. Bisher ist der Langzeitverlauf nach einer Lifestyle Intervention im Kindesalter kaum analysiert und stellt damit einen neuen Forschungsansatz dar. Die einjährige Lifestyle Intervention basiert auf einer Bewegungstherapie, Ernährungstherapie und Verhaltenstherapie für adipöse Kinder und ihre Eltern und hat sich als nachhaltig wirksam erwiesen. Die Identifikation von genetischen Varianten mit größerer oder geringerer Gewichtsreduktion und die Assoziation dieser Varianten mit einer erneuten Gewichtszunahme nach der Intervention helfen möglicherweise diese Intervention immer weiter zu verbessern und speziell zu adaptieren. Darüber hinaus wird die Veränderung des Adipozytokinprofils der Teilnehmer der Lifestyle Intervention nach Gewichtsreduktion im Verhältnis zu den einzelnen genetischen Varianten analysiert. Die DAPOC Studie („Obeldicks“ www.obeldicks.de) wurde am HMGU für verschiedene Projekte genotypisiert und floss somit auch in GIANT Publikationen mit ein. Basierend auf früheren Ergebnissen zeigte sich, dass die Genotypen von 3 SNPs im Intron 6, 9 und 10 des SDCCAG8 (colon cancer antigen 8 gene) auf Chromosom 1q43-q44 mit dem Effekt der Übergewichtsreduktion auch nach Adjustierung für Alter, Geschlecht und multiples Testen signifikant assoziiert war (all p<10-6) (Scherag et al Obesity 2012). Diese Ergebnisse konnten jedoch nicht anhand eines Kollektivs von 626 adipösen Erwachsenen mit einer hypokalorischen Diät repliziert werden (Scherag et al 2012). 
In Zusammenarbeit mit dem Helmholtz Zentrum München wurden im Rahmen der Lebensstil-Interventionsstudie „Obeldicks“ Metabolitenprofile im Serum von 80 adipösen und 40 normalgewichtigen Kindern bestimmt, die deutliche Unterschiede zeigten. Nach Bonferroni-Korrektur für multiples Testen unterschieden sich 14 Metaboliten und 69 Metaboliten-Verhältnisse signifikant zwischen den beiden Gruppen. Besonders auffällig waren Unterschiede im Phosphatidylcholin-, Aminosäuren- undFettsäuremetabolismus (Wahl 2012). Bei der Untersuchung auf Prädiktoren von Gewichtsverlust im selben Kollektiv zeigten zwei Metabolite sowie Hüftumfang niedrigere Werte bei Kindern, die während der Intervention besonders stark abnahmen (Wahl 2013).
Die Adipositas Risiko Gene NEGR1, TNKS, SDCCAG8, FTO, MC4R, TMEM18, PTER, MTCH2, SH2B1, MAF, NPC1, und KCTD15 wurden hier erstmals in einer Lebensstilinterventionsstudie in übergewichtigen Kindern untersucht, wobei allerdings keine Hinweise gefunden wurden, dass diese Gene Einfluss auf die Wiedererlangung des ursprünglichen Gewichts innerhalb eines Jahres nach der Intervention hätten (Hinney accepted).

Studiendetails:
- 1494 adipöse Kinder und Jugendliche (5-16 Jahre)
verfügbare Marker:
- Körperfettmarker (waist-to-hip Ratio, Hautfaltendicke, Bioimpedanz-Analyse)
- Marker Insulinresistenz (oGTT, Insulin, Glucose, HOMA-Index)
- kardiovaskuläre Risikofaktoren (Blutdruck, Leberenzyme, Lipide, Harnsäure)
longitudinale Daten bei Lifestyle Intervention:
- 855 Kinder und Jugendliche mit Daten zu Baseline und 1 Jahr später

Dieses Teilprojekt ist verlinkt mit Work Block (WB) 4 (Therapie) in der Forschungspipeline und mit WB1 (Gen- Identifikation) and WB2b (Gewichtsregulation unter bestimmten klinischen Bedingungen).


WB 2c RECALL

Teilprojektleiterin: Prof. Dr. Susanne Moebus, Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universität Duisburg-Essen

Meta-Analysen von populationsbasierten GWAS bei Erwachsenen haben den Nachweis neuer genetischer Loci für BMI und Fettleibigkeit geführt. In Kooperation mit dem Teilprojekt TP15b wurde eine GWAS-Meta-Analyse angestrebt, die zusätzliche Loci für Adipositas bei extrem übergewichtigen Kindern und Jugendlichen aufdecken sollte. Im Teilprojekt WB2-Recall wurde zusätzlich geprüft, ob die Ergebnisse bei extrem übergewichtigen Kindern und Jugendlichen auch für die erwachsene Normalbevölkerung zutreffend sind. Unser Teilprojekt hat zu Genotypisierung von zehn Einzel-Nukleotid-Polymorphismen (SNPs) bei 4.646 Teilnehmern der Heinz Nixdorf Recall Studie geführt. Die Ergebnisse der Studie erbrachten drei bekannte (FTO, MC4R und TMEM18) und zwei neue Loci (SDCCAG8 und TNKS / MSRA). Somit erzielte die Analyse weitere wichtige Hinweise für eine wichtige Rolle der FTO- und MC4R-Genvarianten in Bezug auf die Varianz des Körpergewichts Erwachsener (1).
Typ 2 Diabetes mellitus (T2DM) als auch die Arteriosklerose sind geprägt durch einen langfristigen und vor allem symptomfreien, subklinischen Verlauf, der– bei entsprechendem Lebensstil – schon im frühen Lebensjahren beginnen kann. Da T2DM mit einem sehr hohen Risiko für KHK – insbesondere Myokardinfarkt – verbunden ist, waren wir daran interessiert, eine mögliche Assoziation von bislang mit Diabetes-assoziierten SNPs sowie SNPs, die auf dem Metabochip liegen, mit dem Ausmaß von Koronarkalk zu analysieren. Dazu haben wir 11 bislang mit Diabetes-assoziierten SNPs mit dem Ausmaß des Koronarkalks bei 4.459 StudienteilnehmerInnen der Heinz Nixdorf Recall Studie untersucht. Koronarkalk ist ein wichtiger Indikator für den Atherosklerosegrad der Koronararterien und wichtiger Risikofaktor für Myokardinfarkt und plötzlichem Herztod. Es konnte gezeigt werden, dass die genetische Variante in CDKN2A/2B (die in der wissenschaftlichen Literatur bislang nur mit Diabetes mellitus verbunden wurde) mit Koronarkalk assoziiert ist. Die diabetes-spezifischen Genvarianten in IGF2BP2, CDKALI, SLC30A8, HHEX und TCF7L2 konnten dagegen eindeutig mit Diabetes, jedoch nicht mit Koronarkalk assoziiert werden (2).
In der Ausweitung der Analyse in Bezug auf mögliche Assoziationen von genetischen Varianten mit Koronarkalk wurden Daten von 4.570 StudienteilnehmerInnen der Heinz Nixdorf Recall verwendet, die mit dem MetaboChip genotypisiert wurden. Die Analysen ergaben, dass SNPs in der 9p21 Region und in der PHACTR1 Genregion mit Koronarkalk assoziiert sind. Damit deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass die beiden hier identifizierten Varianten (9p21und 6p24) einen Einfluss auf die Progression der Atherosklerose in den Koronararterien haben und damit eine bedeutende Rolle bei der Entwicklung kardiologischer Ergebnisse, wie Myokardinfarkt und plötzlichem Herztod spielen könnten (3).

Literatur

(1) Scherag A, Dina C, Hinney A et al. Two new Loci for body-weight regulation identified in a joint analysis of genome-wide association studies for early-onset extreme obesity in French and german study groups. PLoS Genet 2010 April;6(4):e1000916.
(2) Pechlivanis S, Scherag A, Muhleisen TW et al. Coronary artery calcification and its relationship to validated genetic variants for diabetes mellitus assessed in the Heinz Nixdorf recall cohort. Arterioscler Thromb Vasc Biol 2010 September;30(9):1867-72.
(3) Pechlivanis S, Muhleisen TW, Mohlenkamp S et al. Risk loci for coronary artery calcification replicated at 9p21 and 6q24 in the Heinz Nixdorf Recall Study. BMC Med Genet 2013;14:23.
Weitere Teilprojektleiter: