Wissenschaft und Öffentlichkeit

Wissenschaft und Öffentlichkeit – ein notwendiger Diskurs

Die Fragen "Was ist in der Wissenschaft gegenwärtig überhaupt möglich?", Was sind die Folgen der Wissenschaft?" und "Was darf Wissenschaft?" werden heute dringlicher denn je gestellt.
Die aufgrund der Erkenntnisse der Genomforschung und der Gentechnik entstandenen neuen Möglichkeiten biowissenschaftlicher Grundlagenforschung und biotechnischer Anwendungen begründen weltweit neue Chancen zur nachhaltigen Verbesserung unserer Lebensverhältnisse und der Wirtschaftskraft. Sie lösen neben Hoffnungen aber auch Befürchtungen aus, weil sie neue und bisher nicht vorstellbare Eingriffsmöglichkeiten in die Mechanismen des Lebens eröffnen und zu immer neuen Fragen und intensiven Debatten in der Öffentlichkeit über die Grenzen der Forschung führen.
Wissenschaft und Öffentlichkeit stimmen darin überein, dass die lebenswissenschaftliche Forschung wesentlich zum Verständnis von Krankheiten und zur Entwicklung von Therapiemöglichkeiten sowie zu nachhaltigen Produktionsmöglichkeiten beiträgt. Andererseits besteht ein Bewusstsein darüber, dass mit dem rasanten Anwachsen neuer Kenntnisse und Verfahren auch die Möglichkeiten für einen Missbrauch zunehmen. Die Risiken werden dann als besonders bedrohlich empfunden, wenn die zugrunde liegenden wissenschaftlichen Sachverhalte komplex sind und nur schwer verständlich gemacht werden können. Viele Menschen fühlen sich unzureichend informiert, um die Ziele, Wege und Konsequenzen der Genomforschung einschätzen zu können.
Es ist deshalb erforderlich, dass Wissenschaftler die Öffentlichkeit über ihr Handeln und ihre Ziele allgemeinverständlich informieren. Zugleich wird der Wissenschaftler seine Arbeit durch interessierte Bürger auf ganz andere Weise hinterfragt sehen. Eine breite gesellschaftliche, aber auch faire Debatte ist nötig.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen sicher stellen, dass die Bürger einerseits von den Chancen der Genomforschung und Gentechnik - wie beispielsweise der Heilung von Krankheiten – profitieren können, andererseits vor Möglichkeiten des Missbrauchs – wie z.B. der unbefugten Weitergabe vertraulicher genetischer Daten von Patienten - durch geeignete Maßnahmen geschützt sind. Hierbei ist allerdings darauf zu achten, dass die Maßnahmen sowohl den Schutz der Bürger als auch die grundgesetzlich verankerte Forschungsfreiheit gewährleisten müssen.

Um eine sachkundige und differenzierte Betrachtung der Genomforschung zu gewährleisten, hat die Bundesregierung verschiedene Maßnahmen initiiert. So fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Forschungsprojekte zu ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekten in den Biowissenschaften. Sie sind integraler Bestandteil der Arbeiten des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN), und können bei der krankheitsbezogenen Genomforschung berücksichtigt werden. Ergänzt werden diese Maßnahmen durch Diskursprojekte. Einen besonderen Stellenwert nahm in diesem Zusammenhang das vom BMBF und den Spitzenverbänden der Wissenschaft 2001 veranstaltete Jahr der Lebenswissenschaften ein. Mit neuen Maßnahmen zur Nachwuchsförderung soll die bioethische Expertise in Deutschland nachhaltig verbreitert werden.

Die Bundesregierung unterstützt außerdem den Aufbau des Deutschen Referenzzentrums für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE) als Infrastruktureinrichtung. Das DRZE erfasst und dokumentiert bioethische Publikationen und stellt diese der Öffentlichkeit zur Verfügung. Es hat sich seit seiner Einrichtung im Jahre 1999 als bedeutende wissenschaftliche Einrichtung sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene etabliert. http://www.drze.de/

Darüber hinaus hat die Bundesregierung im Juni 2001 den Nationalen Ethikrat gebildet, der neben wissenschaftlichen Experten und Politikern, Sachverständige der Philosophie, Theologie, aus den Rechts - und Sozialwissenschaften sowie Vertreter wichtiger gesellschaftlicher Gruppen wie Patientenvereinigungen, Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und Kirchen in die Debatte einbezieht, um sicherzustellen, dass unterschiedliche ethische Ansätze und ein plurales Meinungsspektrum vertreten sind. der nationale Ethikrat (bzw. Deutsche Ethikrat, s.u.) nimmt Stellung zu ethischen Fragen der Lebenswissenschaften sowie zu deren Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft und erarbeitet Empfehlungen an die Politik.
Im Sommer 2007 wurde mit dem in Kraft treten des Ethikratgesetzes die Arbeit des nationalen bioethischen Beratungsgremiums auf eine gesetzliche Grundlage gestellt und der Nationale Ethikrat wurde in Deutschen Ethikrat umbenannt. Mit dem Deutschen Ethikrat wird ein unabhängiges und dauerhaftes Sachverständigengremium im Bereich der Lebenswissenschaften sowie angrenzender Disziplinen und ihrer Anwendung auf den Menschen geschaffen, das Bundestag und Bundesregierung gleichermaßen berät und Zugang zu interdisziplinärem Sachverstand ermöglicht.

Des Weiteren beschloss der Deutsche Bundestag angesichts der Entwicklungen der Humangenomforschung am 24. April 2009 das Gendiagnostikgesetz, um das informationelle Selbstbestimmungsrecht bei gendiagnostischen Tests zu stärken, vor Missbrauch der Ergebnisse zu schützen und gleichzeitig die Chancen des Einsatzes genetischer Untersuchungen für den einzelnen Menschen zu wahren. Mit dem Gesetz sollen Anforderungen an eine gute genetische Untersuchungspraxis verbindlich gemacht werden. Im Einzelnen sehen die nun beschlossenen gesetzlichen Regelungen vor, dass genetische Untersuchungen nur mit Einwilligung der zu untersuchenden Person und nur von Ärzten vorgenommen werden dürfen. Erlauben diese Tests eine Voraussage über die Gesundheit der jeweiligen Person (dies gilt auch für das ungeborene Kind) ist nun eine Beratung vor und nach der Untersuchung zwingend vorgeschrieben.